Christentum an der Mosel …
… setzte aus archäologischer Sicht später ein als bisher gedacht
In Kobern-Gondorf sind archäologische Funde zum frühen Christentum schon seit dem späten 4. Jahrhundert nachweisbar. Hierin bildet diese Moselgemeinde zusammen mit Boppard, wo christliche Grabsteine im 5. Jahrhundert einsetzen, eine große Ausnahme. Die geringe Anzahl dieser Objekte spricht dafür, dass es sich im 4./5. Jahrhundert wohl nur um wenige Personen gehandelt hat, die an diesen beiden Plätzen dem christlichen Glauben angehörten. Weitere Belege aus anderen Orten fehlen für diese Zeit. Die Entwicklung zum allgemeinen Christentum begann in unserer Region nämlich später als man bisher dachte. Früher ging man davon aus, dass sich hier die christlichen Gemeinden bereits im 4. Jahrhundert flächig bildeten. Archäologische Belege für eine solche Entwicklung liegen in Form von in Stein errichteten Kirchen oder Grabsteininschriften mit christlichem Inhalt aber erst seit der 2. Hälfte des 6. und nicht für das 4. Jahrhundert vor. So treten in Karden – um ein Beispiel zu nennen – die ältesten, noch vagen Hinweise erst im Verlauf des 6. Jahrhunderts auf. Deshalb wird man wohl die Lebenszeit des hl. St. Kastor frühestens im 6. und nicht im 4. Jahrhundert annehmen müssen. Die Daten über St. Kastor und – für Kobern-Gondorf wichtig – St. Lubentius (Foto: Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon), die sich aus den erst im Verlauf des Mittelalters seit dem 8. Jahrhundert entstandenen Lebensgeschichten ergeben, beruhen eher auf christlichen Legenden und sind deshalb mit der gebotenen Skepsis zu lesen. In Kobern-Gondorf liegen aber sehr wenige Indizien vor, die theoretisch für Christen sprechen könnten, die sich zu der nach der Heiligenvita angenommenen Wirkenszeit von St. Lubentius (gestorben 370 n. Chr.) in diesem Orten aufhielten. Hieraus aber eine eindeutige Bestätigung abzuleiten, dass St. Lubentius sicher im 4. Jahrhundert lebte, wäre reine Spekulation.
In Kobern-Gondorf gab es seit dem frühen 19. Jahrhundert Ausgrabungen auf den für unsere Region außergewöhnlich großen Gräberfeldern zwischen dem Schloss Liebig und der Kastorbachstraße. Vermutlich muss man aber davon ausgehen, dass die Plünderung der Bestattungen für den eigenen Profit oder die eigene Sammelleidenschaft schon in antiker Zeit einsetzte und bis in die Zeit um 1900 anhielt. Die bisherigen archäologischen Ergebnisse zeigen, dass die Römer bis in das späte 5. Jahrhundert an der Untermosel und im Neuwieder Becken die bei weitem größte Gruppe der wohl zumeist an die alten Kulte glaubenden Bevölkerung bildeten. Danach erst setzte ab 500 n. Chr. allmählich die Einwanderung von ebenfalls heidnischen Germanen in größerem Umfang ein. Diese prägten auch den Grabbrauch mit ihren Kulthandlungen. Bislang war es die allgemeine Auffassung, dass die Grabbeigaben in den Bestattungen mit dem Aufkommen des Christentums spätestens in der Zeit um 700 n. Chr. verschwanden. Heute muss man aufgrund von Fundanalysen aber davon ausgehen, dass die Praxis Verstorbenen Gegenstände mit in das Grab zu geben in seltenen Fällen zumindest bis in die Zeit um 900 n. Chr., vermutlich aber sogar bis in das 11. Jahrhundert allgemein üblich war. Im Jahr 2013 wurde letztmals in Gondorf im Bereich der antiken Gräberfelder durch die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz ausgegraben. Hierbei traf man einzigartige Bestattungen in vier sich überlagernden Schichten an, deren Auswertung von den Fachleuten und den interessierten Einheimischen gespannt erwartet wird.
Dr. Lutz Grunwald; Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Forschungsbereich VAT Mayen